Protest der Gemeinde St. Georg in Gelsenkirchen gegen die Schließung unserer Kirche

Sehr geehrter Herr Bischof,

wir nehmen mit diesem Schreiben Bezug auf Ihre am 14. und 15. Januar 2006 bekannt gegebene Entscheidung zur neuen Struktur in unserem Dekanat Gelsenkirchen.

Dieses Schreiben ist bei einer Versammlung der Mitglieder aller Gemeinde-Gremien, -vereine und –verbände besprochen und von den Anwesenden unterzeichnet worden. Daher spiegelt dieses Schreiben die offizielle Meinung der Mehrheit der Gemeinde wieder. Bei dieser Versammlung waren auch Vertreter der Presse anwesend, so dass diesen auch der Inhalt des Briefes bekannt ist.

Bei der Bekanntgabe Ihres „verbindlichen Vorschlags“ zur Neustrukturierung des Dekanates Gelsenkirchen-Mitte am 22.Juni 2005 haben Sie mitgeteilt, dass unsere Kirche St. Georg als Filialkirche der neuen Gemeinde St. Augustinus bestehen bleibt.

Diese Tatsache ist in unserer Gemeinde mit großer Freude aufgenommen worden, nicht aber deswegen, weil wir unbedingt unser Gemeindeleben mit der Gemeinde St. Augustinus gemeinsam gestalten möchten, sondern weil wir in den Jahren zuvor oft Gerüchte bezüglich der Schließung unserer Kirche gehört hatten. Deshalb waren wir alle sehr froh, dass diese Kirche, die im gesamten Bistum von der Geschichte, Lage und Architektur her ihresgleichen sucht, erhalten bleiben sollte.

Die zuvor angesprochenen Gerüchte reichen bereits in das Jahr 2000 zurück, weshalb bei der letzten Visitation unserer Gemeinde das Gespräch darauf gelenkt wurde. So hat uns Herr Weihbischof Franz Grave am 6.März 2002 versichert, „niemand habe die Absicht, St. Georg zu schliessen“.

Es ist hier allen sehr schwer gefallen, sich begreiflich zu machen, dass unsere Gemeinde als solche in Ihrem Zukunftskonzept nun nicht weiter Bestand haben kann. Dennoch haben wir dies schweren Herzens akzeptiert, da wir die angespannte Situation des Bistums vor allem im personellen Bereich nachvollziehen können.

Im Hinblick auf die Zukunft der Menschen hier haben wir daher auch schon im vergangenen November einen gemeinsamen Pfarrgemeinderat mit St. Augustinus und Liebfrauen gewählt, obwohl wir noch eine eigenständige Gemeinde mit eigenem Pfarrer sind.

Daher haben wir auch in unserem Votum an Sie vom 7.September 2005 deutlich gesagt, dass „wir die am 22. Juni 2005 auf der erweiterten Dekanatskonferenz vorgestellten Pläne zur Umstrukturierung unseres Dekanates im Hinblick auf unsere Gemeinde begrüßen und nun ihre genaue Umsetzung durch das Bistum erwarten.

Zwar hätten wir gerne unsere Eigenständigkeit als Gemeinde behalten, jedoch sind wir uns der Situation unseres Bistums bewusst und wissen daher darum, dass unsere Eigenständigkeit nicht mehr möglich ist.

Dankbar sind wir dafür, dass unsere schöne Georgskirche nach den Plänen auch als solche weiter erhalten und genutzt werden soll.

Nun wollen Sie uns aber nicht nur unsere Gemeinde nehmen, sondern auch unsere Kirche!

Nicht nachvollziehen können wir daher, dass Sie, der Sie als Bischof eine große Verantwortung für die Glaubwürdigkeit und Lebendigkeit der gesamten Kirche tragen, Ihre Pläne bezüglich unserer Kirche nun – ohne uns vorab darüber zu informieren oder zu befragen – negativ verändert haben!

Kennen Sie unsere Kirche richtig?

St. Georg ist eine neuromanische Kirche klarsten Stiles. Sie ist eine Bereicherung für unsere ohnehin an historischen Gebäuden arme Stadt (Abriss des alten Rathauses, Abriss des alten Bahnhofes etc.). Sie ist ein markantes Gebäude im Mittelpunkt unserer Stadt. Dieses Gebäude ist für uns als Mitglieder dieser Kirchengemeinde nicht nur Gebäude sondern Heimat und für viele Menschen auch geistiger Mittelpunkt ihres Lebens.

Von der Architektur her ist unsere Kirche einmalig, und sie zählt zu den größten Kirchen im gesamten Bistum Essen.

Gerade in der heutigen Zeit, wo wir als Kirche immer mehr an Präsenz im öffentlichen Leben verlieren, stellt die St.-Georgs-Kirche als markantes Bollwerk an der Schnittstelle der Nord-Süd- mit der West-Ostachse unserer Stadt ein an Sichtbarkeit und Deutlichkeit kaum zu überbietendes Wahrzeichen und Symbol christlichen Glaubens dar. Egal ob man aus Essen, aus Bochum, aus Herne oder auch aus Buer nach Gelsenkirchen kommt, man blickt immer auf St. Georg.

Daher halten wir es für unverantwortbar, sie als „weitere Kirche“ ohne finanzielle Mittel auszuweisen.

Sie mag in ihrem aktuellen baulichen Zustand und ihren Unterhaltungskosten nicht zu den Kirchen im Bistum zählen, die am kostengünstigsten erhaltbar sind, aber dennoch stellen wir Ihnen ganz bewusst die Frage, ob wir als katholische Kirche in diesem Land, diesem Bistum und dieser Stadt es uns ernsthaft leisten können, auf eine solch prägnante Kirche zu verzichten!

Kann allein das Geld über Für und Wider einer Kirche entscheiden?

Kann sich die Kirche einen weiteren Verlust an Glaubwürdigkeit leisten?

Bedeuten Gemeindeleben und extrem hoher Gottesdienstbesuch gar nichts?

Braucht die Kirche nicht weithin sichtbare äußere Zeichen?

All diese Fragen mögen für Sie bei Ihren Entscheidungen eine mehr oder weniger große Rolle gespielt haben. Uns ist jedoch beim Studium Ihrer Planungen für das gesamte Bistum aufgefallen, dass Sie all diese Dinge als Argumente für den Erhalt von Kirchen in anderen Dekanaten angeführt haben! Warum gilt dies dann nicht auch für uns?

Wenn wir einmal ganz deutlich werden dürfen:

Nicht nur die Tatsache, dass Sie unsere Kirche schließen wollen, sondern vielmehr die Art und Weise, wie dies nun geschieht, hat uns sehr verärgert.

Da Sie unserer Gemeinde im Juni vergangenen Jahres „verbindlich“ zugesichert haben, unsere Kirche als Filialkirche zu erhalten, fühlen wir uns nun, da sie doch geschlossen werden soll, von Ihnen hintergangen. Uns erscheint es nun als sehr deutlich, dass man uns nur vorgespielt hat, unsere Kirche bliebe erhalten, um Reaktionen und Proteste unsererseits von vorneherein auszuschließen!


Das jetzige Konzept zeigt nämlich, dass viele Gemeinden, die protestiert haben, da ihre Kirchen zunächst auf der Streichliste  standen, nun doch ihre Kirchen behalten dürfen.

Uns hingegen, die man über ein halbes Jahr lang in Sicherheit gewogen hat, wird nun ohne Vorwarnung und wirkliche Nennung von Gründen die Kirche genommen!

So haben Sie uns der Möglichkeit beraubt, ein Votum für den Erhalt unserer Kirche abzugeben, da Sie uns in dem Glauben ließen, sie bliebe in jedem Falle erhalten!

Dies halten wir für einen unhaltbaren Zustand. Wir können und werden ein solches Verhalten Ihrerseits, dass uns als sehr ungerecht erscheint, nicht einfach so hinnehmen!

Wir halten Sie für einen geistreichen und kompetenten Bischof, der großen Wert auf das Beziehungsgeschehen zwischen Kirche und Menschen legt. Sie haben viele von uns, gerade auch die Jugendlichen, mit Ihrer überaus positiven Art und Ihrer Offenheit begeistert und an die Kirche gebunden. Doch gerade der Blick für diese Beziehung von Kirche und Menschen scheint Ihnen nun im Hinblick auf unsere Gemeinde verloren  gegangen zu sein!

Sie können doch als Christ nicht eine ganze Gemeinde, an der Emotionen und Schicksale hängen, über ein halbes Jahr täuschen (ob gewollt oder ungewollt), um dann alle, die dort engagiert sind, plötzlich mit dem Verlust ihrer Kirche vor den Kopf zu stoßen!

Von ursprünglich etwa 120 Kirchen, die „weitere Kirche“ werden sollten, sind nun in Ihrem endgültigen Konzept noch 96 übrig geblieben. Wir möchten hier niemandem „seine“ Kirche wegdiskutieren, sondern begrüßen sogar, dass unserem zweifellos lebendigen Bistum nun doch noch mehr Gotteshäuser zur Verfügung stehen.

Allerdings finden sich nur sehr wenige Kirchen, die unser Schicksal (erst soll die Kirche erhalten werden, dann doch nicht) teilen; wenn wir richtig gezählt haben, sind es 5. Davon hat St. Mariä Himmelfahrt in Gelsenkirchen-Rotthausen selbst darum gebeten und Herz-Jesu in Hagen-Rummenohl und Maximilian Kolbe in Bochum-Kornharpen sollen über die DPSG bzw. eine ökumenische Zusammenarbeit erhalten bleiben.

So blieben also neben St. Georg noch 2 weitere Gemeinden über!

Warum können also über 25 Kirchen, die in Ihrem ursprünglichen Plan „weitere Kirche“ werden sollten, nun doch erhalten werden und für unsere Kirche St. Georg geht dies plötzlich nicht mehr?

Hier wurde eindeutig mit zweierlei Maß gemessen! So begründen Sie z.B. den Erhalt vieler Kirchen mit einem überdurchschnittlich hohen Gottesdienstbesuch! Haben Sie sich einmal die Gottesdienstbesucherzahlen für St. Georg angesehen? Trotz rückläufiger Zahl der Gemeindemitglieder sind diese nämlich konstant hoch bzw. sogar noch leicht gestiegen! Dies zeigt doch, dass unsere Kirche weit über unsere Gemeindegrenzen hinaus Zentrum des christlichen Lebens für viele Menschen ist!

Zwar befindet sich unsere Kirche in nicht allzuweiter Entfernung von St. Augustinus und St. Joseph, dennoch bildet der Bereich um unsere Kirche zwischen Hauptstraße und Grenzstraße, bzw. Königstraße und Hohenzollernstraße einen im Grunde ganz eigenen Ortsteil, den man weder zur Altstadt, noch zu Schalke zählen kann. Diesem unserem Ortsteil würde mit der Aufgabe von St. Georg jegliche kirchliche Anbindung verloren gehen, da im vergangenen Jahr auch die unserer Kirche benachbarte methodistische Gemeinde wegziehen musste.

Des weiteren finden sich in direkter Nachbarschaft unserer Kirche ein Alten- und Pflegeheim und eine katholische Grundschule, denen ebenfalls diese Bindung an die Kirche fehlen würde.

Bleibt weiterhin der historische Aspekt von St. Georg zu berücksichtigen. Schon seit dem 11. Jahrhundert hieß die Kirche unserer Stadt, der ja Kirchen ihren Namen gaben, St. Georg. Nur durch Differenzen mit der evangelischen Gemeinde musste für die neu errichtete katholische Kirche im 19. Jahrhundert der neue Name St. Augustinus genutzt werden. Doch schon 1906 wurde der Grundstein zu einer neuen St.Georgs-Kirche gelegt, damit das Patrozinium des Heiligen Georg der Stadt erhalten blieb!

Daher halten wir es für undenkbar, der Stadt diese Kirche und damit auch „ihren“ Heiligen Georg zu nehmen! Darüber hinaus steht unsere Kirche unter Denkmalschutz, was Sie in Ihrem Hirtenwort bei einigen anderen Kirchen ebenfalls als Begründung für deren Erhalt anführen.

Der Auftritt Ihres Generalvikars, Herrn Dr. Hans-Werner Thönnes, in der Sendung „Lokalzeit Ruhr“ im WDR-Fernsehen am 16. Januar 2006, in der unter anderem über die Schließung unserer Kirche berichtet wurde, hat unsere in diesem Brief dargestellten Ansichten noch einmal verschärft! Herr Dr. Thönnes hat ganz klar zugegeben, dass durch die Entscheidung „die Georgianer überrascht waren.“ Dies heißt ja nichts anderes, als dass wir tatsächlich mit voller Absicht bis zur Verlesung des Hirtenwortes im Unklaren über das Schicksal unserer Kirche gelassen wurden! Im gleichen Atemzug erläutert der Generalvikar, dass es nicht so sei, dass Sie „sich das alleine überlegt hätten.“ Wenn Sie – wir denken, gemeint ist Ihr engster Mitarbeiterkreis - es aber nicht allein waren, die dies überlegt haben, so fragen wir Sie: Wer hat dann mitentschieden? Wir als die Betroffenen sind von dieser Entscheidung jedenfalls völlig ausgeschlossen worden!

Als Begründung für die Schließung von St. Georg wurde vom Generalvikar die Tatsache genannt, dass Sie nun bedacht hätten, „wie nahe beieinander große Kirchen liegen. Und wenn man das in Relation setzt zur Zahl der Kirchenbesucher“, dann käme man zu dem Schluss, „dass man nicht alle Kirchen gleichzeitig halten kann!

Damit wirft sich für uns die Frage auf, warum man dies nicht schon im Sommer bedacht hat und warum dann ausgerechnet unsere Kirche davon betroffen sein muss! Das Argument der Kirchenbesucherzahl kann aus den schon genannten Gründen aus unserer Sicht nicht die Schließung von St. Georg unterstützen, sondern ist vielmehr ein gewichtiges Argument dagegen!

Weiterhin sprach Ihr Generalvikar in oben genannter Sendung von einem „Beratungsprozess“  und davon, dass „aus ganz Gelsenkirchen Voten gekommen“ sind, die Sie „dann zusammengebracht haben!“

Nun fragen wir erneut: Warum waren wir in diesen Beratungsprozess nicht mit einbezogen? Warum wurde unser Votum nicht berücksichtigt? (Unser komplettes Votum ist diesem Brief als Anlage beigefügt)

Herr Dr. Thönnes sagte außerdem, dass Sie noch einmal geprüft hätten ob „nach Einschätzung [...] der Priester, die dort tätig sind,“ Ihr Konzept stimmt.

Aus all diesen Äußerungen des Herrn Generalvikars müssen wir folgern, dass Geistliche aus anderen Pfarrgemeinden für eine Schließung von St. Georg votiert haben (ohne uns darüber zu informieren) und diese Voten von Ihnen angenommen wurden! Ist dies für  katholische Geistliche ein haltbarer Zustand? Des weiteren wirft dies einfach die Frage auf, ob wir als Christen in St. Georg mit den Geistlichen in unserem Dekanat überhaupt noch auf vertrauensvoller Basis zusammenarbeiten können!

Wenn Sie nun also tatsächlich an Ihrem Plan festhalten und St. Georg als „weitere Kirche“ klassifizieren wollen, nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass wir aufs Schärfste dagegen protestieren und dass unser Vertrauen in die Entscheidungsträger unseres Bistums und unsere Bereitschaft zum Mitgestalten des weiteren Weges des Ruhrbistums gesunken sind!

So sollte man mit Menschen und mündigen Christen nicht umgehen!

Daher schlagen wir Ihnen vor, den Menschen hier in St. Georg Ihre Entscheidung gegen den Erhalt unserer Kirche persönlich bei einer Pfarrversammlung in allernächster Zukunft zu erläutern!

Zwecks einer terminlichen Absprache wenden Sie sich bitte an Herrn Reinhard Glenz.

Trotz aller Differenzen wünschen wir Ihnen und Ihren Mitarbeitern für das Gelingen der Strukturreform, die auch wir in ihren Grundzügen für notwendig erachten, alles Gute und Gottes Segen für Ihr weiteres Schaffen!

In der Hoffnung auf eine neue Chance für unsere Kirche St. Georg

- Reinhard Glenz -                      - Sebastian Glenz -                      - Michael Wagener -      

(Weitere Unterschriften unter diesen Brief auf den folgenden Seiten)